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Fact Finding Mission Tanzania 2022

07.11.2022

Bericht über die vom International Office der LMU bezuschusste Dozierenden Mobilität von Dr. Gomes und Dr. Arndt nach Tansania.

Bericht über die vom International Office der LMU bezuschusste Dozierenden Mobilität von Dr. Gomes und Dr. Arndt vom 06. bis 16. August 2022 nach Tansania.
Dr. Luiz André dos Santos Gomes (LMU), Dr. Sophia Arndt (LMU)

Im Rahmen der Internationalisierung des Lehrstuhls „Pädagogik bei Verhaltensstörungen und Autismus – Prof. Markowetz“ soll in dem hier vorgestellten Projekt ein integrativeres Bildungssystem in Tansania mit aufgebaut werden, indem Einstellungen und Fähigkeiten von Lehrkräften in Ausbildung und Beruf in Bezug auf inklusive Bildung durch neu entwickelte Schulungen verbessert werden. Die LMU München und die Open University of Tansania (OUT) haben dazu bereits ein Memorandum of Understanding unterschieben, zudem besteht eine wertvolle Zusammenarbeit mit dem Lake Victory Disability Center (LVDC) in Musoma, Mara Region. Das Ziel des ersten Besuches in Tansania war es, eine langfristige Zusammenarbeit zwischen der LMU und der OUT aufzubauen und die LMU als Referenzhochschule in Fragen der Behindertenpolitik sowie der Sonderpädagogik zu verankern und technische Unterstützung zu bieten für angewandte Inklusion in Tansania, weiter der ostafrikanischen Region und Afrika.

Am 6. August sind wir, Dr. Gomes und Dr. Arndt nach Dar es Salam, Tansania geflogen. Auf unserer Agenda standen die folgenden drei Aufgaben:

  1. Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung für eine Studienreise mit integriertem Studienpraktikum mit einer Gruppe von Lehramtsstudierenden der Sonderpädagogik am Lehrstuhl von Prof. Markowetz (voraussichtlich Anfang 2023) vor Ort gemeinsam mit dem International Office der OUT und des LVDC.
  2. Besuch von drei Regelschulen in der Mara Region, von welcher eine Schule bereits Kinder mit Behinderungen „inklusiv“ beschult und in welchen unsere Studierende zukünftig ein vom Praktikumsamt der LMU anerkanntes Schulpraktikum ableisten können sowie im Rahmen des Staatsexamens ihre wissenschaftliche Abschlussarbeit über eine Frage und Problemstellung der schulischen Situation von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf schreiben können.
  3. Erstellung eines Konstruktes für ein In-service Teacher Training mit Testlauf in der Mara Region zusammen mit dem Kollegen von LVDC und OUT.


Für die ersten Tage unserer Reise waren ein Besuch der OUT und zahlreiche Treffen mit Kolleg:innen sowie des Vizekanzlers der OUT geplant. Im Zentrum des fachlichen Austausches stand das Thema inklusive Bildung im Kontext der Umsetzung der UN‐Behindertenrechtskonvention und vor allem die Frage, wie es durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen der OUT in Kooperation mit der sonderpädagogischen Expertise der LMU gelingen kann, dass bald Kinder mit Behinderungen besser und gezielter schulisch von universitär ausgebildeten Lehrkräften in der Modellregion Mara. wo sich auch die Partnereinrichtung LVDC befindet, gefördert werden können. Da die OUT der Erstellung eines inklusiven Curriculums großen Stellenwert einräumt, bot sich uns sogar die Möglichkeit das Thema Inklusion mit Prof. Elifas Bisanda, Vice Chancellor der OUT zu diskutieren.

Nach dem Besuch einer nationalen Konferenz der OUT in Morogoro, reisten wir weiter nach Musoma, wo unsere Partnereinrichtung LVDC beheimatet ist. Dort trafen wir mehrere Politiker:innen, unter anderem dem Premierminister der Region, Robert M. Msarika und besichtigten das LVDC: Es handelt sich hierbei um eine Ausbildungsstätte speziell für Jugendliche mit Behinderung, welche ohne diese Schule keine Perspektive hätten. Neben dem Schulunterricht werden diverse praxisorientierte Workshops sowie Physiotherapie angeboten. Das LVDC stellt aber leider eine Ausnahme in der Region dar.

Die weiteren Schulbesuche, die in den folgenden Tagen stattfanden, konfrontierten uns im Gegensatz dazu nämlich mit der Realität der Schulen Tansanias. So werden in der Regel über 1.000 Schüler:innen von ca. 20 Lehrkräften unterrichtet. Mehr als 100 Schüler besuchen eine Klasse. Die Klassenzimmer sind im baufälligen Zustand, Strom und Wasser gibt es in den Klassenräumen oft gar nicht und Toiletten sind auf dem Schulgelände kaum vorhanden. Behindertengerecht sind die Gebäude ebenfalls nicht.

  1. Klassenzimmer der Chitare Primary School, Mara

Schulhof der Chitare Primary School, Mara

Klassenzimmer der Chitare Primary School, Mara

Meeting mit Direktor und Lehrkräften der Chitare Primary School, Mara

Meeting mit Professorinnen und Professoren sowie dem Vizekanzler (4.vl) an der OUT, Dar Es Salaam

Computerraum, LVDC

Auf dem Weg nach Musoma

Nach diesen aufschlussreichen Besuchen an den Schulen mit sehr wertvollen persönlichen Begegnungen wurde uns klar, wie groß das Interesse der Lehrkräfte ist, über inklusive Bildung zu lernen. Darüber hinaus fiel uns auf, dass das Themengebiet Verhaltensstörung wenig bekannt zu sein scheint. Leider besteht die Assoziation von Inklusion nur für Menschen etwa mit Gehbehinderung, Seh-, oder Hörbeeinträchtigung. In diesem Sinne kann die LMU eine wichtige Unterstützung darstellen und zu einer nachhaltigen Entwicklung und Weiterbildung beitragen. In Gesprächen mit den Lehrkräften wurde deutlich, dass neben der grundlegenden Qualifizierung für die sonder‐ und inklusionspädagogische Arbeit der Lehrkräfte auch die Eltern behinderter Kinder noch umfänglich über ihr Recht auf Bildung und die Notwendigkeit schulischer Bildung für ihre Kinder sensibilisiert werden müssen, damit sie ihre Kinder verlässlich zur Schule schicken.

Außerdem sind der Neubau von Schulen sowie die breitgefächerte Einstellung von Lehrkräften, die sich derzeit voll ausgebildet in der Arbeitslosigkeit befinden, weitere essentielle Schritte auf dem Weg zur Verbesserung der Situation der Schulen in Tansania. Hierfür benötigt es die Unterstützung der Politik. Da wir von den Richtungsweisenden äußerst positiv und interessiert empfangen wurden und zudem bei den Schulbesuchen von Judith Charles, Regional Special Needs Education Officer, begleitet wurden, wurde uns das Gefühl vermittelt, dass die Politik durchaus Interesse daran hat. Nicht zuletzt wurden wir schließlich nach den Schulbesuchen ein zweites Mal vom Premierminister der Region, Robert M. Msarika, empfangen. Er hat versprochen das geplante Projekt zwischen OUT - LVDC – LMU zu unterstützen. Wir hoffen also, dass die Mara Region als Beispiel vorangehen kann, mit Modellcharakter für die anderen Regionen in Tansania. Die besondere Stellung des LVDC kann als Referenz betrachtet werden, aber das Thema Inklusion wird nur mit Wissen und durch Handlungen verschiedener Partner:innen auf unterschiedlichen Ebenen gelebt werden können.

Kontakt:
Dr. Luiz André dos Santos Gomes (a.gomes@edu.lmu.de)
Dr. Sophia Arndt (s.arndt@lmu.de)