MZL-Nachgefragt: Demokratiebildung als große gemeinsame Aufgabe
26.11.2025
Am 20. November 2025 fand die fünfte Nachgefragt-Veranstaltung zum Thema „Demokratiebildung unter Druck? Populismus als Herausforderung in der Lehrkräftebildung“ statt.
26.11.2025
Am 20. November 2025 fand die fünfte Nachgefragt-Veranstaltung zum Thema „Demokratiebildung unter Druck? Populismus als Herausforderung in der Lehrkräftebildung“ statt.
© MZL
Die jüngste Veranstaltung der Reihe MZL-„Nachgefragt“ brachte knapp 60 Teilnehmer:innen an der LMU zusammen und widmete sich einem Thema, das angesichts gesellschaftlicher Spannungen höchst aktuell ist: der Demokratiebildung. Auf dem Podium diskutierten diesmal Prof. Dr. Sabine Anselm (Leiterin der Forschungsstelle Werteerziehung und Lehrerbildung, LMU), Prof. Dr. Karsten Fischer (Lehrstuhlinhaber für Politische Theorie am Geschwister-Scholl-Institut, LMU), Rupert Grübl (Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit), Claudia Heinzl (Lehrerin Förderschule) und Detje Niehuis, (Lehrerin Gymnasium). Moderiert wurde die Diskussion von Fabian Heindl (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschwister-Scholl-Institut, LMU).
Bereits zu Beginn wurde deutlich: Politische Bildung wird zunehmend komplexer und ist längst keine Aufgabe einzelner Bereiche oder Fächer mehr. Alle schulischen Akteur:innen stehen in der Verantwortung, junge Menschen zu befähigen, sich in der modernen Gesellschaft zu orientieren und politische sowie gesellschaftliche Themen kritisch und kompetent zu beurteilen. Aufgabe der Lehrkräftebildung ist es entsprechend, Demokratie als Haltung und Bildungsziel in der Ausbildung angehender Lehrkräfte wirksam zu vermitteln.
Sabine Anselm führte aus, dass Schule als gesellschaftlicher Ort, an dem Menschen verschiedener Hintergründe täglich zusammenkommen, in mehrfacher Hinsicht besonders „wert“voll für die Werteerziehung und Demokratiebildung sei. Dadurch entstehe ein Raum demokratischer Aushandlungsprozesse, in dem Haltungen sichtbar, diskutierbar und reflektierbar werden. Lehrkräfte müssten daher nicht nur die demokratische Grundordnung als unverhandelbaren Rahmen kennen, sondern sich auch ihrer eigenen professionellen Haltung bewusst werden.
Karsten Fischer betonte die Wichtigkeit einer Definition des Demokratiebegriffs und wies auch auf die Ambiguitätstoleranz hin, also die Fähigkeit, vielschichtige und mehrdeutige Situationen auszuhalten. Sie sei nicht nur ein demokratisches Grundprinzip, sondern auch eine alltägliche pädagogische Herausforderung. Demokratie sei, so Fischer, keine Wohlfühlkategorie, sondern eine spezifische Organisationsform, die Verantwortung einfordere.
Auch Rupert Grübl erinnerte daran, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei. Schulen bräuchten klare und rechtssichere Handlungsmöglichkeiten, gerade beispielsweise im Umgang mit extremistischen Bestrebungen. Politische Bildung müsse zudem ganzheitlich betrachtet und als Querschnittsaufgabe verstanden werden; Handeln, das auf ein Gemeinwesen abzielt, beginne bereits im Kleinen – in Freundeskreis, Familie und Schule und nicht erst in der „großen Politik“.
Detje Niehuis berichtete aus ihrer gymnasialen Praxis, dass das Interesse der Schüler:innen an politischen Themen in den letzten Jahren generell gestiegen sei. Gleichzeitig brauche es frühere, systematische Zugänge, um Raum und Struktur für die Demokratiebildung an Schulen zu schaffen –etwa durch eine stärkere Verankerung politischer Inhalte bereits ab der fünften Jahrgangsstufe.
Claudia Heinzl hob die Bedeutung einer grundlegenden Kommunikations- und Beziehungskultur hervor. Demokratie lasse sich nicht allein über Inhalte vermitteln, sondern auch über Achtung, Gesprächsführung und eine klare Haltung gegenüber menschenverachtenden Äußerungen.
Diskutiert wurden unter anderem die Verfassungsviertelstunde an Schulen, Demokratiebildung als fächerübergreifende Aufgabe, der „doppelte Praxisschock“ von Junglehrer:innen, für die zu den Herausforderungen hinsichtlich der Berufspraxis auch noch die Unsicherheiten bezüglich der eigenen Rolle und Haltung hinzukommen, die Zukunft des Beutelsbacher Konsens als Leitfaden für Politische Bildung und die zunehmende Bedeutung digitaler Räume für die politische Sozialisation. Die zentrale Botschaft zog sich wie ein roter Faden durch den Abend: Politische Bildung sei komplexer geworden – und sie gehe uns alle an. Dieser Aufgabe solle auch mit Mut begegnet werden.